Pinneberg - Schimpf und Schmäh ein Leben lang
Schimpf ist ihr
Schicksal. Immer wieder muss die Gemeinde dies ertragen. Die Rede ist von
Pinneberg.
Weil die Pendler aus der Kreisstadt in Holstein sich jetzt schon an die Chablis und Hummer-Theken in den Hamburger Passagen wagen, mögen sich die Hanseaten dort nicht mehr gern verlustieren, stellte der Spiegel in einem Zeitgeist Beitrag fest."
Irgendwie haben die Pinneberger etwas Besonderes an sich, das nicht nur ihre Nachbarn immer wieder herausfordert. Sogar Fernseh-Ulknudel Hella von Sinnen (RTL plus) biß auf das Thema an. “Ich grüße die Pinneberger,” schloss die schrille rheinische Frohnatur kürzlich ihr Wochenend-Quiz, “vor allem dann, wenn sie aus Köln kommen".
Die Pinneberger müssen schon einiges aushalten. Am meistenvon den Hamburgern. Das Auto-Kennzeichen “PI” reizt die Großstädter immer wieder zu niederträchtigen Übersetzungen wie “Pennt immer” oder “Provinz Idiot" (ich verkneife mir schon seit langer Zeit die Retourkutsche “Halbes Hirn” für “HH”).
An der Fahrweise der Pinneberger kann es eigentlich nicht liegen. Denn die Kfz-Versicherer billigen den Kleinstädtern einen günstigeren Tarif zu als den Großstädtern.
Von meinen mehr als 15 jährigen Erfahrungen mit dem PI-Schild mag ich nur andeutungsweise berichten. Sogar im Ausland erlebte ich Zwiespältiges. Im italienischen Pisa (Autokennzeichen ebenfalls PI) erntete ich zum ersten Mal wohlwollendes automobilistisches Interesse.
In Südfrankreich schien mir das zunächst auch so, als sich der Wirt der Hotelpension, in der ich übernachtete, höflich nach dem Ursprung des Kürzels PI erkundigte. Doch als der Patron wenig später Krach mit seinem Kellner bekam, schrie er ihn “Provinz-ldiot” an.
Manchmal reizt auch schon die bloße Erwähnung des Wortes Pinneberg die Lachmuskeln. Das wurde mir besonders deutlich, als ich in den 70er Jahren mit einer Hamburger Justizdelegation nach Schweden reiste. Bei der Nennung meines Heimatortes wurden die Gastgeber ungemein fröhlich.
Leider bin ich des Schwedischen nicht mächtig. Jedoch meinte ich herauszuhören, dass unser Delegationsleiter Pinneberg ungefähr so beschrieb: “Das ist die Stadt, in der die Autofahrer rechts blinken, wenn sie links abbiegen”.
Das sind natürlich alles nur Vorurteile bornierter Metropol-Bewohner gegenüber den rechtschaffenen Menschen aus dem Baumschulen-umschlungenen Umland, die nicht gern die Tröpfe im norddeutschen Tiefland sein wollen.
Der ewige Pinneberger-Schmäh macht die Betroffenen empfindlich. Nur so ist die Reaktion der Pinneberger auf die “Merian”-Ausgabe Schleswig-Holstein zu erklären. Dort hatte die Ex-Pinnebergerin Maria Elisabeth Straub auf der Suche nach der Kleinstadt ihrer Kindheit nur noch eine x-beliebige Retortenstadt entdeckt: “Unbarmherzig mit Beton übergossen, bis auf den letzten Quadratmeter profitträchtig ausgenutzt”.
Die Stadtväter der Rosenstadt taten so, als lebten sie in einer Mimosenstadt. Sie reagierten furchtbar aufgebracht und drohten Magazin wie Autorin Klage an. Schlimmeres gewohnt, beruhigten sie sich am Ende aber wieder. Denn der Pinneberg-Schmäh ist nicht erst eine Erfindung dieses Jahrzehnts. Irgendwie muss darunter bereits Werner von der Schulenburg (1881-1958) gelitten haben. Der Adlige mit dem Doppel-Doktor, gebürtiger Pinneberger, schrieb von 1909-1950 eine Vielzahl von Lustspielen und Romanen.
In seiner Geburtsstadt wird heute noch ein Satz aus Schulenburgs Gesellschaftsroman “Crème à la Cocotte” zitiert. Er lautet:”Der Geburtsort Pinneberg kann nur durch einen Tod in Palermo wettgemacht werden."
Das sagt in dem Roman natürlich ein Fremder. Der Pinneberger entgegnete ihm etwas, schrieb von der Schulenburg, was sich so ähnlich angehört habe wie “Lago Maggiore”.