19. Eduard und
Peter in der Tiefsee
Wir
finden Eduard und Peter in der Tiefsee, am tiefsten Punkt im pazifischen Ozean.
Erstaunlich, wie kann das sein? Wattwürmer gehören nicht dorthin! Es ist sehr
kalt dort unten, der Wasserdruck ist unglaublich hoch und es ist absolut dunkel,
weil das Licht es nicht bis in diese Tiefe schafft.
Es
kam so: Eduard und Peter hatten in ihrem kleinen Schlickgarten zusammen mit den
Freunden die glückliche Rückkehr vom Mond gefeiert. Dabei hatten sie auch von
ihrer Begegnung mit den Mondwürmern berichtet.
Ein
paar Tage später, es war Abend geworden und schon ziemlich dunkel, da zieht
eine Sternschnuppe über den Himmel. Sie kommt Amrum immer näher und näher und
schließlich klatscht eine glühende Kugel neben Eduard und Peter in das Watt und
bohrt sich halb in den Schlick. Es zischt und dampft noch ein bißchen, und dann
wird es still.
Neugierig
krabbeln die beiden näher.
„Das
sieht ja aus wie ein Raumschiff,“ ruft Peter, „sieh mal, da sind Fenster und
eine Luke!“
Die
Kugel brummt ein bißchen und hebt sich aus dem Schlick. Beine klappen heraus
und einen Moment später öffnet sich die Luke. Eine Rutsche klappt aus und ein
Wurm mit rotem Kopf sieht hinaus.
„Na,
das hat ja bestens geklappt,“ sagt eine Stimme in Eduard und Peter, „Schön,
dass ihr zu Hause seid. Ich bin MoonyA.“
„Wie
konntet ihr uns finden,“ fragt Eduard, „wir sind doch kaum zu sehen vom Mond da
oben!“
„Kein
Problem, wir sehen eure Gedanken. Deshalb könnt ihr uns ja auch hören,“ denkt MoonyA.
„Hm,
das mag ich aber nicht so gern, dass jemand in meinen Kopf guckt,“ grummelt
Peter.
„So
ist das nicht, wir sehen nur die Stelle in eurem Körper, die wie ein Mund
arbeitet. Wenn ihr nichts sagt, können wir nur den „Gedanken-Mund“ sehen. Mehr
nicht, keine geheimen Gedanken,“ versichert MoonyA.
Drei
weitere Mondwürmer sind ausgestiegen. Sie stellen sich mit MoonyK,
MoonyM und MoonyS vor.
„Warum
könnt ihr auf der Erde leben, ist die Luft nicht gefährlich für euch?“ fragt
Peter weiter.
„Unsere
Haut ist ganz dicht, wir können überall leben,“ sagt MoonS,
„wir brauchen auch nicht essen außer Mondstaub. Ist keiner da, reicht das
Sonnenlicht.“
„Wir
können nicht lange bleiben,“ meint MoonyA, „unsere
Verwandten warten. Die wohnen ganz tief unten im Pazifik, auf der anderen Seite
der Erde. Die Gegend heißt Mariannengraben und das Wasser ist dort 11.000 m
tief. Aber ihr könnt gern mitkommen. Unser Raumschiff kann dort hinunter
tauchen, kein Problem. Steigt ruhig mit ein.“
Obwohl
Eduard und Peter schon ein bißchen ängstlich sind, folgen sie den Moonys über die Rampe in das Raumschiff. Die Luke schließt
sich und das Raumschiff steigt hinauf zu den Wolken.
Im
Raumschiff ist es für Würmer sehr bequem. Für die beiden Wattwürmer war
gesorgt, ein ausreichender Vorrat von Frühstücks-schlamm liegt in der
Vorratskammer bereit.
Durch
ein Fenster können sie die Erde unter sich sehen. Sie fliegen sehr schnell und
es sieht so aus, als ob sich die Erde unter ihnen weiter dreht.
Erst
fliegen sie über ein großes Meer, dann über Land mit Bergen und wieder über das
Meer.
„Wir
sind schon über dem pazifischen Ozean,“ sagt MoonyS,
„wir sind gleich da.“
Das
Raumschiff senkt sich auf die Wasseroberfläche und dann taucht es ein! Tiefer
und tiefer geht es, dunkler und dunkler wird es, bis vor den Fenstern finstere
Dunkelheit herrscht.
„Der
Meeresgrund liegt 10 Kilometer unter der Oberfläche,“ sagt MoonyK, „das Wasser drückt ganz stark auf unser Raumschiff.
Aber keine Angst, wenn es ein bißchen knirscht, das hält es aus.“
Es
knirschte wirklich ziemlich laut, aber den Mondwürmer macht das nichts aus. Sie
kennen ihr Schiff, es war sehr stark gebaut.
Vor
einem Fenster ist auf einmal ein Licht zu sehen. Eduard und Peter erschrecken
sich ziemlich, denn damit hatten sie nicht gerechnet. Es bewegt sich und
zappelte vor dem Fenster hin- und her.
„Wie
ein leuchtender Angelwurm,“ Peter staunt.
MoonyS schaltete das
Außenlicht an. Es ist nicht besonders hell, aber sie sehen eine schreckliche
Gestalt: einen Tiefsee-Anglerfisch.
„Das
ist ein Trick, um Fische anzulocken,“ meint
MoonyK, „die ahnen nichts und schwupp, sind sie
gefangen.“
„Eine
fiese Methode,“ überlegt Eduard.
„Was
sollen die hier unten machen, sie können nichts sehen und müßten sonst verhungern!“
sagt MoonyA.
Das
Raumschiff sinkt weiter in die Tiefe. Immer wieder huschen bunte Lichter an den
Fenstern vorbei. Manchmal dunkle Schatten, kleine und ganz große!
Die Scheinwerfer zeigen schließlich den
Meeresboden an, ganz grau und offenbar sehr schlammig. Eduard und Peter läuft das
Wasser im Mund zusammen! An einigen Stellen steigt aus merkwürdigen
Schornsteinen dichter schwarzer Rauch auf. Das Raumschiff schwebt zu einem
besonders großen „Raucher“ hinüber.
„Da
wohnen unsere Verwandten, die Rotkopf-Tiefseewürmer,“ sagt MoonyK, „die haben sich an das Leben
in dieser großen Tiefe gewöhnt und fühlen sich ganz wohl. Der schwarze Rauch
schmeckt Bakterien und anderen kleinen Wesen sehr gut, es sind viele Metalle
und andere Stoffe darin. Allerdings ist der Rauch in Wirklichkeit kochendheißes
Wasser. Die Bakterien halten die Hitze aber sehr gut aus. Größere Tiere wie
Würmer fressen die Bakterien und noch größere wie Fische und Quallen dann die
Würmer. Mit einer Ausnahme: den Rotkopfwürmern kann keiner etwas tun, die sind
zu stark. Da drüber wohnen sie!“
Staunend
sehen Eduard und Peter zu der riesigen Kolonie der Würmer hinüber. So tief
unter Wasser hätten sie so etwas nicht erwartet.
Auf
einmal hören sie Stimmen in sich. Auch diese Würmer „denken“ zum Sprechen wie
die Mondwürmer. Alle begrüßen sich herzlich und freuen sich, nach langer Zeit
wieder beisammen zu sein.
Eduard
und Peter sehen sich um. Ein Stück weiter sehen sie eine Versammlung von
Muscheln. Die halten sich vom heißen Wasser des Rauchers fern, haben es aber
noch warm genug, um behaglich Wasser durch ihre Kiemen zu strudeln und kleines
Zeug auszufiltern.
Dann
hören sie lautes Schimpfen, eine Krabbe hat sich über eine Muschel her gemacht.
Die Muscheln klappen alle zu und dabei spritzen sie eine schwarze Brühe gegen
den Räuber. Die muß etwas ziemlich böses enthalten, denn der Krebs fällt
hintenüber und von der Muschelbank herunter. Er zappelt ein wenig herum und
rennt dann weg, so schnell er kann.
Auf
der anderen Seite sehen sie zauberhafte Wesen, die sich in der Strömung hin-
und her wiegen. Das sind Polypen, eigentlich Tiere, aber am Boden oder an
Gegenständen festgewachsen. Sie fangen mit ihren Tentakeln, die kleine
Giftnadeln mit Betäubungsgift schleudern können, kleine Krebse und anderes
Getier.
Eigentlich
ist hier unten viel mehr los, als sich die beiden Wattwürmer vorgestellt haben.
„Ihr
könnt mit uns auf einen Ausflug nach draußen kommen,“ ruft MoonyK,
„paßt auf:“ Damit legt er zwei schlaffe Häute auf den Boden, „Steigt ein! Zum
Steuern braucht ihr nur zu denken, wo ihr hin wollt. Durch den Vorhang da drüben
geht es nach draußen.“
Die
beiden schlüpfen durch eine kleine Öffnung in die Blasen. Sofort blähen die
sich auf. Sie sehen zum Vorhang hinüber, schweben auf ihn zu und sind plötzlich
in der Tiefseewelt.
Ein
Fisch mit riesigen Augen schwimmt heran – und vorbei! Trotz seiner Glotzaugen
kann er sie nicht sehen. Keine Gefahr.
Sie
schweben zur Kolonie der Tiefseewürmer hinüber und werden in Gedanken herzlich
begrüßt.
„Wie
geht es euch hier so tief unten,“ fragt Peter, „ es ist doch so dunkel!“
„Wir
haben es gut,“ hört Peter, „es ist hier
warm und ruhig und es gibt reichlich zu essen. Wir können im Dunkeln sehen,
kein Problem. Feinde haben wir nicht, denn die großen Fische schaffen es nicht
so tief herunter.“
Die
Mondwürmer haben Mondstaub mit gebracht, den mögen die Tiefseewürmer besonders
gern, schmeckt ihnen wie Zucker.
„Wir
müssen wieder los, unsere Batterien reichen nicht mehr lange,“ sagt MoonyK, „wir kommen bald wieder.“
Alle
steigen wieder in das Raumschiff, es summt leise und die Reise zur Oberfläche
beginnt. Oben angekommen steigen sie hoch in die Luft und fliegen zurück nach
Amrum.
Eduard
und Peter steigen dort aus. Sie bekommen noch ein Päckchen Mondstaub zum
probieren.
Dann
hebt sich das Raumschiff der Mondwürmer. Die beiden hören noch ein „Tschüss!“ von ihren Freunden und sehen die Kugel in der
Höhe verschwinden.
VAB
201029