25. Eduard und Peter in der Zukunft

Auf Amrum ist nichts los. Jetzt im Herbst gibt es nicht viele Gäste und nur wenige  wandern noch hier draußen im Watt herum. Die Sonne scheint, ein bisschen Wind weht und ein wenig Salzwasser schwappt herüber und stöbert den Mulm auf.

„Uns geht es gut,“ sagt Eduard, der faul aus dem Eingang seiner Wohnröhre schaut. 

„Uns geht es sehr gut!“ bestätigt Peter, der gerade an einer Alge nuckelt.

„Nicht mit vollem Mund reden! Möp!“ mahnt Eduard.

„Ach, du …“ Peter läßt sich nicht die Laune verderben und nuckelt weiter.

Vom Ufer her kommt jemand. Direkt auf die beiden zu, als wüsste er, wo Eduard und Peter wohnen. Er kommt immer näher und die beiden sehen, dass es ein großer Mann mit einem braunen Hut ist.

Lass uns schnell in unsere Wohnung zurück krabbeln, dann sieht er uns nicht,“ meint Peter. Und weg sind die beiden, tief in ihre Röhre ziehen sie sich zurück. Und warten.

Es bleibt ruhig und nach einiger Zeit schauen sie aus ihrer Haustür.

Oh, Schreck, der Mann hat sich zu ihnen hingehockt. Ein großes Gesicht mit einem grauen Bart ist dicht über ihnen und sieht sie freundlich an. Erst wollen die Wattwürmer wieder ganz schnell verschwinden, aber da spricht der große Mensch zu ihnen: „Hallo, Eduard und Peter. Ich bin Volkert. Drüben in Wittdün in dem großen roten Haus wohne ich, wollte mal nachsehen, wie es euch geht.“

„Woher kennst du uns,“ fragt Peter. Heute ist er der Mutigere, aber ein bisschen ängstlich ist er doch.

„Das ist eine lange Geschichte, „sagt der Mann, „aber es begann damit, dass ich euch erfunden habe.“

„Das kann doch gar nicht sein,“ überlegt Eduard, „wir sind doch da! Hier, ich kann Peter doch einfach so anstupsen.“

„Das stimmt, Ihr beide seid richtige Wattwürmer. Aber die können nicht sprechen, haben keine Namen und würden nicht wie Ihr Abenteuer erleben,“ sagt der Mann, der Volkert heißt, „das alles habe ich Euch beigebracht. Gefällt es Euch?“

„Oh, ja!“ rufen beide gleichzeitig, „es muss ja langweilig sein, wenn man all das nicht kann. Wir haben so lange nichts erlebt. Kannst Du bitte ein Abenteuer für uns ausdenken?“

*******

 

Hier beginnt das neue Abenteuer:

Eduard und Peter in der Zukunft

Auf Amrum war nichts los. Damals im Herbst gab es nicht viele Gäste und nur wenige wanderten noch hier draußen im Watt herum. Die Sonne schien, ein bisschen Wind wehte und ein wenig Salzwasser schwappte herüber und stöberte den Mulm auf.

„Uns geht es gut,“ sagte Eduard, der faul aus dem Eingang seiner Wohnröhre schaute. 

„Uns geht es sehr gut!“ bestätigte Peter, der an einer Alge nuckelte.

„Nicht mit vollem Mund reden! Möp!“ mahnte Eduard.

„Ach, du …“ Peter ließ sich nicht die Laune verderben und nuckelte weiter.

Vom Ufer her kam jemand gegangen. Direkt auf die beiden zu, als wüsste er, wo Eduard und Peter wohnen. Er kam immer näher und die beiden sahen, dass es ein großer Mann mit einem braunen Hut war.

Der Mann kam ihnen bekannt vor: es war ihr Freund Volkert. Er begrüsste sie und setzte sich auf einen großen Stein.

„Ich habe gelesen, dass die Grashügel auf Amrum etwas Besonderes sind.. Eigentlich haben vor vielen tausend Jahren die Menschen hier ihre gestorbenen Verwandten in den Hügeln begraben. Aber irgendwann waren es zu viele und man hörte damit auf. Was danach passiert ist, wissen wir noch nicht. Alte Leute haben berichtet, dass Unterirdische dort eingezogen sind. Darüber weiß keiner genau Bescheid und darum schauen wir mal genauer hin und sehen uns den Hügel von innen an. Am besten fangen wir bei dem in Steenodde an.“

Er hatte einen Tragekorb mit einem großen Glas darin mitgebracht, füllte Schlamm und Wasser ein und hob beide hinein. Mit dem Auto fuhren sie nach Steenodde und hielten auf dem Parkplatz dort an. Es war schon ein bisschen dunkel geworden und der Mann nahm eine Tasche und eine Lampe mit.

Er ging ein Stück durch den Wald und sie standen vor einem großen grünen Hügel. Der Mann ging durch die Büsche um den Hügel herum, bis zu einem Haufen aus Pflastersteinen.

„Die Steine haben die Menschen vor hundert Jahren vor den Eingang geworfen, weil sie Angst hatten. Mir macht das nichts aus und ich räume die mal weg,“ sagte der Mann und machte sich an die Arbeit. Eine hölzerne Tür war dahinter. Sie leuchtete ganz schwach ein bisschen blau.

„Hm, letztes Mal leuchtete die Tür nicht,“ sagte der Mann nachdenklich, „wir gehen hinein und sehen mal nach.“

Er holte einen großen eisernen Schlüssel aus der Tasche und suchte das Schloß dafür. In der Tür fand er keins, aber in einem Stein an der Seite war eine Öffnung,  in die der Schlüssel passte.

Ein leises Knarren und die Tür war einfach verschwunden, das Leuchten war aber geblieben. Dahinter war es dunkel.

„Da sollen wir hinein,“ fragte Eduard, „das ist ja gruselig!“

„Man los, nicht rumtrödeln,“ rief Peter mutig.

Der Mann nahm Tasche, Lampe und Wattwürmer und ging durch das Leuchten in den Hügel hinein.

*****

So eine Überraschung!

Das hatten sie nicht erwartet: sie befanden sich nicht im Inneren des Hügels, sondern sie standen draussen unter freiem Himmel. Es war heller Tag. Vor ihnen lag etwas wie eine schmale Strasse, nichts war darauf zu sehen, und eine hellrote Wiese. In der Ferne sahen sie einige gelbe Kugeln mit lila Bäumen.

„Ich verstehe das nicht,“ sagte der Mann, „beim letzten Besuch war hier eine Höhle und ich habe die Unterirdischen besucht. Was ist bloß passiert?“

Aus der Ferne bewegte sich etwas auf sie zu. Als das Etwas näher kam, sahen sie ein großes rollendes Rad, in dessen Mitte sich eine Kugel mit einem Wesen darin befand.

Das Rad blieb vor den drei staunenden Freunden stehen, das Wesen stieg durch die Wand der Kugel aus, schwebte herüber und fragte: „Ich bin Klukol, ein Nachdenker. Wer in aller Welt seid ihr denn?“

Er war ziemlich klein und sehr dünn, hatte aber einen sehr großen Kopf und trug eine Art Nachthemd aus goldglitzerndem Stoff.

Der Mann antwortete : „Ich bin Volkert, ein Ingenieur und die beiden hier sind die Wattwürmer Eduard und Peter. Wir sind offenbar durch eine besondere Tür hierher gekommen.“

Klukol überlegte: „Es könnte eine der alten Zeittüren sein. Wo seit ihr erschienen?“

Volkert zeigt die Stelle. Klukol hebt die Hand, und eine blau leuchtende Tür wird sichtbar.

Klukol sagte: „Diese Tür merke ich mir, damit ihr wieder zurück kommen könnt. Die führt in eine sehr lange vergangene Zeit. Kommt erstmal mit zu mir, meine Kinder warten schon auf mich.“

Er schwebte zu seinem Fahrzeug und glitt durch die Wand der Kugel.

Er sagte: „Steigt ein, hier ist genug Platz für alle.“ Und auf einmal saßen sie in der Kugel und es war genug Platz für alle vier.

Das Rad rollte los und folgte der Strasse, obwohl es kein Steuer gab. Klukol steuerte es wohl mit seinen Gedanken.

Bald waren sie bei den gelben Kugeln angekommen. Klukol stieg aus, und alle standen vor einer der ziemlich großen Kugeln. Keine Türen oder Fenster waren zu sehen. Er winkte ihnen, zu ihm folgen und schwebte durch die Wand in die Kugel.

Drinnen standen sie in einem großen leeren Raum.

Klukol fragte: „Habt ihr Hunger?“

Volkert nickte und Klukol sagte: „Denkt an etwas, was ihr am liebsten essen möchtet.“

Einen Augenblick später fuhr ein Tisch aus der Wand mit einem Stuhl und einer Art Ständer für die Reisetasche mit Eduard und Peter. Auf dem Tisch stand ein Teller mit Pommes Frites und einer Currywurst. Daneben zwei kleine Schüsseln mit leckerem Schlamm. Ein köstliches Mal!

Volkert fragte: „Wo sind Deine Kinder?“

Klukol zeigte auf die Wand, die sich öffnete und 10 kleine rote Kugeln rollten heraus auf ihn zu.

Sie hatten 5 Augen rund um den Kopf und einen runden Mund, und sie schnatterten alle durcheinander.

Klukol schnatterte kurz zurück und aus der Wand erschien ein langer Tisch mit allen möglichen Dingen - die Zeitreisenden kannten fast nichts davon, außer einem großen Teller voller Fischstäbchen. Jedenfalls sahen sie so aus.

„Nun  sind die Kinder erstmal beschäftigt,“ sagte Klukol.

Er führte die drei durch die Wand nach draußen in den Garten. Der Boden war mit so etwas wie Gras bedeckt. Allerdings  mit roten Gras. Sie standen vor drei Bäumen. Mit braunen Stämmen wohl, aber mit lila Blättern. Und sie hatten Wurzeln mit Füssen, darauf liefen sie tatsächlich durch den Garten. Daneben standen einige Büsche. Grüne Blätter und viele blaue Augen, die hierhin und dorthin schauten. Mit den Blättern konnten sie schnaufen und rascheln, das war die Sprache dieser „Tiere“.

„Habt ihr auch solche Pflanzen und Tiere im Garten,“ fragte Klukol.

„Nein, bei uns sieht es ganz anders aus,“ rief Eduard.

Volkert meinte: „Ich habe doch mein Handy mit, da kann ich dir unsere Welt zeigen.“

Er holte sein Handy heraus, aber der Akku war leer!

„Es geht leider nicht, kein Strom mehr!“

Klukol berührte das Handy und auf einmal ging es wieder.

Volkert suchte ein paar Bilder aus und wollte sie zeigen, aber sie erschienen in der Luft vor ihnen und waren so viel besser zu sehen. Klukol hatte das Handy verbessert!

Der sagte: „Eure Welt sieht ja ganz anders aus als meine. So sah also die Erde mal aus. Erstaunlich. Darf ich die Bilder haben?“

„Klar,“ sagte Peter.

Klukol macht eine Bewegung mit der Hand und ein Strom Bilder fliegt durch die Luft und verschwindet in seiner Hand.

„Ich möchte euch mehr von meiner Welt zeigen,“ sagte Klukol, „wir werden auf den Berg dahinten fahren, von da aus können wir weit sehen.“

Das Einrad-Fahrzeug rollte heran.

Klukol sah Eduard und Peter nachdenklich an: „Mit dem Wasserbecken ist die Reise zu schwierig, ich werde euch in eine Blase stecken. Die schützt euch besser.“

Die beiden saßen auf einmal in einer Blase mit ein bisschen Wasser und Schlamm. Es fühlte sich sehr komfortabel an.

Die Reise ging los. Das Rad sauste mit ihnen die Straße entlang. Bald ging es einen Berg hinauf, immer höher und höher.

Vom Gipfel hatten sie eine großartige Aussicht über Klukols Welt.

Auf der Ebene standen Wälder von lila Bäumen, die von grünen Flüssen durchschnitten wurden. Hin und wieder gab es ein paar gelbe Haus-Kugeln und roten Wiesen mit braunen Tieren. Am Horizont sahen sie viele gelbe Kugeln neben und übereinander, eine große Stadt lag da. Vom Berg hinunter floss ein grüner Strom hinunter zur Stadt. Einige Straßen führten kreuz und quer durch die Ebene, darauf fuhren Einräder und grössere Fahrzeuge, die ohne Räder in der Luft schwebten.

„Gibt es denn noch Menschen hier?“ fragte Peter.

„Nein, die sollen damals zum Mond und zum Mars ausgewandert sein, als die Erde zu heiß zum leben geworden war. Auf dem Mond kann man noch Städte sehen, aber da wohnt auch niemand mehr, der Mondstaub ist wie Schleifpapier und zerstörte alles.“ antwortete Klukol.

„Es ist sehr schön hier,“ meinte Volkert nachdenklich, „aber ich glaube, wir sollten die Tür suchen und in unsere Welt zurückkehren. Danke für deine Hilfe, lieber Klukol, es war richtig interessant.“

„Ich bringe euch zur Tür,“ sagte Klukol, „wenn Ihr möchtet, könnt ihr uns noch einmal besuchen, ich gebe euch einen Schlüssel mit.“

Sie fuhren vom Berg herunter die Straße entlang zu der Stelle, wo sie durch die Tür gekommen waren. Klukol gab Volkert eine blaue Marmel, die war der Türschlüssel. Volkert drückte auf die Marmel und vor ihnen erschien die blau leuchtende Tür.

Nach einem herzlichen Abschied gingen sie durch die Tür und Klukols Welt war verschwunden.

Sie standen wieder vor dem Hügel, die Tür war aber verschwunden.

Wo waren sie gewesen? War es ein Traum? Eduard und Peter saßen aber immer noch in ihren Blasen. Und als Volkert sein Handy heraus holte und Bilder zeigen wollte, schwebten die über dem Gerät in der Luft.

Auf der Erde waren die drei jedenfalls nicht gewesen, sondern irgendwo in der Zukunft auf einem anderen Planeten.

Seltsam.

VAB 210826